Vertane Chance
Die Beziehungen zwischen Tschechien und Österreich sind oft mit einer Ehe verglichen worden – einer Vernunftehe, wohlgemerkt: Von heisser Liebe konnte nie die Rede sein.
Die Beziehungen zwischen Tschechien und Österreich sind oft mit einer Ehe verglichen worden – einer Vernunftehe, wohlgemerkt: Von heisser Liebe konnte nie die Rede sein. Dafür weiss jede Seite nach all den Jahren nur allzu gut, wie und wo sie den anderen treffen kann. Und tatsächlich: Auch nach dem jüngsten Besuch von Mirek Topolanek in Wien herrscht auf beiden Seiten wieder mal eine leicht gereizte Stimmung. Dabei waren die Voraussetzungen für einen Neuanfang im komplizierten Verhältnis zwischen Prag und Wien eigentlich so gut wie schon lange nicht mehr: Im Herbst hat die österreichische Regierung der Versuchung widerstanden, sich den ungarischen Aktivitäten in puncto Beneš-Dekrete anzuschliessen. Der letzte Störfall in Temelin liegt schon eine ganze Weile zurück. Die abbestellten Panzerfahrzeuge haben offenbar nicht so viel Gewicht, dass sie zu einem echten Streit zwischen den beiden Regierungen werden könnten.
Und trotzdem: Kaum war Topolanek aus Wien verschwunden, meldeten die ersten tschechischen und österreichischen Zeitungen, wie unzufrieden wieder mal alle seien. Die österreichischen Atomkraftgegener schimpfen, weil Kanzler Alfred Gusenbauer nicht genug Druck auf Topolanek ausgeübt habe. Und in Tschechien herrscht in allen Zeitungen grosse Aufregung darüber, dass Österreich das Thema der illegal aus Tschechien einreisenden Asylbewerber aufgetischt hat. „Die tschechisch-österreichischen Beziehungen haben ein neues Problem“, meldeten die die Lidove noviny. Aber stimmt das eigentlich? Und gibt es wirklich kein Rezept, wie der Teufelskreis aus Sticheleien, Überempfindlichkeiten und sauertöpfischen Mienen durchbrochen werden kann?
Zwei Elefanten, ein Porzellanladen
Wer je eine handfeste Ehekrise mitgemacht hat, der weiss: Das A und O eines halbwegs erfreulichen Miteinanders liegt in der Kommunikation. Doch gerade auf dieser Ebene spielen sowohl Prag als auch Wien gerne den Elefant im Porzellanladen. Vn tschechischer Seite war es in der Vergangenheit etwa ausgesprochen ungeschickt, den von Österreich geforderten Dialog über Temelín praktisch zu verweigern. Dieses Verhalten, das Stärke und Souveränität demonstrieren sollte, führte in Österreich nur dazu, dass das Misstrauen gegenüber Prag und dem Atomkraftwerk weiter anwuchs – so lange, bis das Parlament in Wien mit einer internationalen Klage gegen die CR drohte.
Sehr viel geschickter zeigt sich jedoch auch die österreichische Seite nicht: Dass sich die Zahl der Asylbewerber im niederösterreichischen Traiskirchen seit dem tschechischen Schengenbeitritt nahezu verdoppelt hat, ist nicht zu leugnen. Bei der Pressekonferenz mit Topolanek hielt Gusenbauer es wegen der bevorstehenden Landtagswahlen in Niederösterreich jedoch für nötig, längst überall in der EU praktizierte Selbstverständlichkeiten wie etwa die Rückführung von illegal eingereisten Asylbewerbern so zu präsentieren, als handele es sich um ein Zugeständnis, das er seinem tschechischen Amtskollegen gerade abgerungen hat. Vor dem heimischen Publikum, das im März einen neuen niederösterreichischen Landtag bestimmen soll, markiert Gusenbauer damit den starken, tatkräftigen Mann. Bei seinen tschechischen Partner löst der Kanzler damit lediglich den Reflex aus, seinerseits vor den tschechischen Medien kundzutun, dass die Österreicher „selber Schuld seien“. Gute Stimmung kann so nicht aufkommen. Und einen wesentlichen Anteil an der kommunikativen Misere haben leider auch die Medien auf beiden Seiten.
Schluss mit dem Versteckspiel
Wer sich den Katalog von Themen, über die in Wien gesprochen wurde, näher ansieht, wird mit Erstaunen feststellen, dass weder Temelín (über das die österreichischen Zeitungen vorwiegend berichteten) noch die Asylfrage (die von allen tschechischen Blättern hervorgehoben wurde) die Tagesordnung dominierten. Tschechien und Österreich haben jede Menge gemeinsamer Probleme, die in den Medien allenfalls oberflächlich aufgezählt wurden: Warum schreibt eigentlich niemand über die geplante EU-Regelung für den Lkw-Transit? Warum berichtet niemand devon, dass Wien und Prag ab 2014 vielleicht einen gemeinsamen Komissar in die EU-Kommission entsenden? Und was ist mit den gemeinsamen Anstrengungen für den Klimaschutz?
Anstatt sich begierig auf jedes neue kleine Pseudo-Problem in den bilateralen Beziehungen zu stürzen, sollten die Medien auf beiden Seiten den Blick lieber häufiger aufs Wesentliche lenken. Den Politikern auf beiden Seiten jedoch ist nur zu empfehlen, endlich Schluss zu machen mit dem Versteckspiel und den verdrucksten Bezichtigungen und stattdessen ein klares Bekenntis zu einer guten und ernsthaften Partnerschaft abzugeben. Für Topolanek hiesse dies zum Beispiel konkret, offen zuzugeben, dass die ODS nur auf eine Gelegenheit wartet, den Ausbau von Temelín politisch durchzusetzen. Eine leidenschaftliche Liebe muss aus der Vernunftehe zwischen Prag und Wien ja gar nicht werden. Aber wo eine Scheidung unmöglich ist, sollten beide Seiten klug genug sein, sich das Leben nicht nur wegen ein paar billiger innenpolitischer Triumphe zur Dauerhölle zu machen.
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