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Astrounat Brázda
Odvaha nejen číst
Respekt auf Deutsch5. 3. 2008

Warten auf den Anti-Fico

Was ist geschehen, dass wir nach acht Jahren erfolgreicher Regierungspolitik und zwei Jahren in der Opposition nun auf einmal „unmöglich“ sind.

Astronaut

Was ist geschehen, dass wir nach acht Jahren erfolgreicher Regierungspolitik und zwei Jahren in der Opposition nun auf einmal „unmöglich“ sind. Diese Frage gab der Vorsitzende der slowakischen Christdemokraten (KDH), Pavol Hrušovský an Journalisten weiter, die in jüngster Zeit die Spitzen der Opposition aufgefordert hatten, das Zepter an „neue Gesichter“ zu übergeben. Hrušovskys Antwort könnte lauten, nichts sei passiert. Doch genau das ist in der Politik eine Sünde, die ihre Opfer fordert. In der Slowakei gilt nämlich heute die Prämisse: Wenn nichts passiert, wird Premier Robert Fico noch jahrelang weiterregieren. Das ist keine gute Perspektive, denn unter seiner Führung gewann der Staat schnell an Einfluss – auf Kosten der Bürgerrechte. Der Geist der liberalen Demokratie entweicht aus dem Land mit noch nie dagewesenem Tempo.

Die Macht der Parteispitzen

Die Slowakei hat im Vergleich zu Tschechien eine erstaunliche Eigenheit: Die Lebensdauer der politischen Parteien ist viel stärker an ihre Vorsitzenden gebunden als an ihre Ideen. Seit dem Jahr 1989 gibt es kein Beispiel dafür, dass eine politische Partei durch den Austausch ihrer Führungsspitze etwas gewonnen hätte. Im Gegensatz dazu gibt es aber schon fast zu viele Beispiele dafür, dass ein solcher Austausch ein Vorbote für den allmählichen Zerfall der Partei war, bis hin zu ihrem Untergang. Es ist also verständlich, dass sich die Parteien verzweifelt an ihre Führungsfigur klammern. Auch in Situationen, die in anderen Ländern schon längst zu einem innenpolitischen Umsturz geführt hätten.

Eine weitere slowakische Besonderheit ist, dass die Regierungsparteien, vor allem Robert Ficos Smer und die Slowakische Nationalpartei (SNS) von Ján Slota, immer populärer werden, während die Beliebtheitswerte der Oppositionsparteien, insbesondere die der Slowakischen Christdemokraten (SDKÚ) von Mikuláš Dzurinda, unter dem Ergebnis der Parlamentswahlen von 2006 liegen. Die Gründe sind naheliegend: Die slowakische Wirtschaft läuft (dank der Vorgängerregierung) auf vollen Touren, Fico und Slota sind tüchtige Populisten, die keine Skrupel kennen. Die Versuche der Oppositionsspitzen, die beiden zu kritisieren, verfehlen ihr Ziel, denn wie ein Echo bekommen sie den Hinweis an ihr eigenes Scheitern geliefert, zu der Zeit, als sie selbst an der Macht waren.

Die Geduld einiger Oppositionspolitker war vor zwei Wochen am Ende. Der stellvertretende Vorsitzende der SDKÚ und frühere Verteidigungsminister Juraj Liška forderte Dzurinda öffentlich zum Rücktritt auf. Er beschuldigte ihn, die Macht in der Partei auf seine Person zu konzentrieren und deren Erfolgschancen bei der nächsten Wahl zu verschlechtern. Für sich betrachtet ist Liška nicht weiter interessant, seine Diagnose ist jedoch exakt. Dzurinda hatte die SDKÚ seit ihrer Gründung im Jahr 2000 als eine aus gehorsamen Pragmatikern bestehende Regierungspartei aufgebaut und jede abweichende Meinung bereits im Keim erstickt. Solch eine Partei funktioniert zuverlässig, solange sie an der Macht ist, aber durch zu langes Verweilen in der Opposition verliert sie ihren Sinn. Sie müsste sich daher von innen heraus verändern. Dafür benötigt sie allerdings einen neuen Vorsitzenden.

Nach Liškas einsamem Aufschrei sind auch Bedenken aus Unternehmerkreisen hören. Dzurinda sei nicht dazu in der Lage, den immer weiter nach links rückenden Fico zu stürzen. Wegen der persönlichen Feindschaft der beiden Politiker gäbe es auch nach den nächsten Wahlen keine Chance auf die Bildung einer großen Koalition aus SDKÚ und Smer, obwohl diese die Folgen der unheilvollen Entwicklung mildern könnte. Dzurinda hält die Partei bislang fest in der Hand und zu seiner Unterstützung eilen einflussreiche Funktionäre herbei; der ehemalige Vizepremier und Finanzminister Ivan Mikloš mit eingeschlossen. Dzurinda achtete besonders darauf, dass ihm im Kern der Partei keine Konkurrenz heranwuchs. Deshalb hat er keine Herausforderer und ist fest zum Weitermachen entschlossen. Für Fico ist das eine sehr gute Nachricht.

Christdemokraten auf dem Tiefpunkt

Ein weiteres Geschenk der Opposition an die Regierung ist die Unruhe innerhalb der Christdemokraten. Vier von deren Abgeordneten – unter ihnen auch ihre zwei Gründer František Mikloško und Vladimír Palko – traten aus der Partei aus, weil sie den „Pragmatismus“ der Führung und die Abkehr von der Prinzipientreue nicht mehr ertragen konnten. Die schweren perteiinternen Konflikte hatten sich seit den Wahlen 2006 verschleppt, als Hrušovský seine Bereitschaft erklärt hatte, mit Wahlsieger Fico eine Koalition einzugehen. Dafür hatte ihn insbesondere Palko hart kritisiert. Dennoch kam der Abgang dieser Politiker überraschend, weil sie mit der Partei 18 Jahre lang verbunden waren und sie überdies ihren Dissidenten-Freund Ján Čarnogurský im Stich ließen, der in der KDH blieb.

Die Folgen der Spaltung der KDH können bedrohlich sein. Die Gruppe um Mikloško kündigte bereits an, eine neue – wahrscheinlich radikal-konservative – Partei zu gründen. Ihre Chancen auf Erfolg sind zwar marginal, sie kann jedoch die KDH so stark schwächen, dass diese es bei den nächsten Wahlen nicht mehr ins Parlament schafft. Dem gewöhlichen Beobachter mag dieser selbstmörderische Schritt der Oppositionspolitiker unverständlich erscheinen, er drückt jedoch deren tiefe Frustration über das moralische Elend der slowakischen Politik aus.

Wer also stoppt diese „Fico-Walze“, die an das seinerzeitige Vorgehen von Vladimír Mečiar erinnert?Zweifelsohne eine Hoffung könnte Iveta Radičová sein, auf die sich die Opposition wahrscheinlich als gemeinsame Kandidatin für die Präsidentenwahl im Frühjahr nächsten Jahres einigen wird. Radičová wurde kurz vor den Parlamentswahlen zum Star der Regierung Dzurinda, nachdem sie zur Sozialministerin ernannt worden war. Die Soziologin Radičová ist nicht ohne Chance auf den Sieg bei der Direktwahl. Vor allem aber könnte sie mit einer intensiven Kampagne eine apathische Gesellschaft zum Leben erwecken, die sich mehrheitlich nicht einmal bewusst ist, welche finsteren Wolken sich über ihr zusammenbrauen.


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